KLEINE EGGENKUNDE
Im Jahre 1462 wurden zum ersten mal die Eggen schriftlich erwähnt. Heide bestand demnach im Mittelalter aus vier Eggen. Die Eggen (Ortsteile) erhielten ihren Namen nach der jeweiligen Himmelsrichtung. Die Norder-, Süder- und Österegge bestehen bis zum heutigen Tag, die Westeregge hingegen gab es nur kurze Zeit. Um 1560 hatte Heide etwa 1.500 Einwohner (darunter 60 Bauern) in 240 Haushaltungen. Bis zur Verleihung der Stadtrechte am 7. Juli 1870 bestand der damalige Flecken Heide aus den drei Eggen als selbstständige Teilgemeinden. Die Eggen waren ursprünglich Feldgemeinschaften, die als selbstständige Gemeinwesen mit Meent-Land (Gemein-Land) und mit Meent-Werk (Gemein-Werk) von einem Eggenvorsteher, der zugleich Protokoll-und Rechnungsführer war, verwaltet wurden. Mit dieser Zeit setzte es sich durch, daß am Montag nach dem Drei-Königs-Tag ein „Buerreeken“ (Bauerschaftsabrechnen) veranstaltet wurde. Hierbei wurden die Einnahmen und Ausgaben abgerechnet, man verhandelte um Viehweiden, Grenzen, Wegebau und anderes.
WAS HOHNBEER BEDEUTET
Das Motto der Norderegge… Jümmers vöran!
Das „Beer“ von Hohnbeer bedeutet nicht Bier, sondern Fest; also ein Fest, das für den Hahn, der ein Freiheits- und Fruchtbarkeitssymbol darstellt, gefeiert wird. Einst sperrte man einen lebendigen Hahn in eine Holztonne. Die Eggenbrüder bewarfen diese Tonne mit Knüppeln oder Steinen, um die Tonne zu zerstören und dem Hahn seine Freiheit wiederzugeben. Anschließend wurde Hohnbeer gefeiert. Im Jahr 1841 beschloß der Bauer und Holzpantoffelmacher Jacob-Peter Claußen, genannt „Peter Bur“, zusammen mit dem späteren Lehrer und Dichter Klaus Groth und Eggenbrüdern aus allen drei Eggen, das Hohnbeer als Gemeinschaftsfest der Eggen neu aufleben zu lassen und gleichzeitig den Boßelwettkampf wieder einzuführen. Die Vision von Peter Bur wurde Wirklichkeit – zunächst mit Stiftung der Süderegge durch Bur selbst. Die plattdeutsche (niederdeutsche) Sprache war zu der Zeit die Sprache der armen Leute und daher nicht gesellschaftsfähig. Dies änderte sich erst durch den Heimatdichter Klaus Groth von der Österegge, der durch sein weltberühmtes Werk „Quickborn“ (1852) der plattdeutschen Sprache wieder zu einem besonderen Ansehen verhalf. Für das Hohnbeer in der Norderegge setzte sich Klaus Groths Kollege Andreas Stammer ein. Seitdem wird Hohnbeer zur Pflege und Förderung des Gemeinschaftssinns und der Erhaltung der plattdeutschen Muttersprache in jedem Jahr im Februar – heute auf drei aufeinander folgenden Samstagen – von den Eggen gefeiert. Der Hahn auf der Tonne wurde zum Symbol aller drei Heider Eggen. Süderegge und Österegge führen ein Straßenboßeln durch und in der Norderegge wirft man mit Boßelkugeln nach einem Holzhahn in einer Holztonne.
Die traditionelle Garderobe der Aktiven besteht aus:
Schwarzer Zylinder
weiße Fliege
schwarzer Anzug
weiße Handschuhe
schwarze Schuhe
DER FESTTAG
Morgens um 06:00 Uhr treffen sich die Eggenbrüder in ihrer traditionellen Garderobe im Stadttheater Heide. Alle Aktiven tragen einen schwarzen Zylinder, den schwarzen Mantel, den schwarzen Anzug und das „Wittwark“ (Weißwerk), das weiße Hemd, die weiße Fliege, die weißen Handschuhe und den weißen Schal.
Nach der Begrüßung aller Aktiven, der Musiker, der Gendarmen und der Gäste durch den 1. Föhrer werden die Föhrerstäbe an die drei Föhrer übergeben und damit auch die Verantwortung zum guten Gelingen des Festtages. Das Schleswig-Holstein-Lied ertönt und danach marschieren die Züge ab 06:30 Uhr auf den festgelegten Routen zu ihren Umtrunk- und Einkehrstellen.
Dem Zug voraus läuft jeweils der Föhrer in Begleitung eines Gendarms als Geleitschutz, dahinter die Musikkapelle, die Fahnenabordnung und die Vorstandsmitglieder, die Aktiven und Gäste. Am Schluss des Zuges marschieren die beiden Kretler, die dafür Sorge tragen, dass der gesamte Zug sich vorbildlich verhält, dass sauber marschiert wird und der Zeitplan minutengenau eingehalten wird.
Mittags um 12:45 Uhr treffen sich alle drei Züge am Rathaus und marschieren gemeinsam zum Stadttheater, um sich zurückzumelden. Mit einer deftigen Erbsensuppe stärken sich die Eggenbrüder zusammen mit den geladenen Gästen und Abordnungen der anderen beiden Eggen und bereiten sich so auf den Boßelwettkampf „Schmieten no den Hohn in de Tünn“ vor. Zum Boßeln werden die Anwesenden in zwei Gruppen, der blauen und der roten Partei, eingeteilt. Ein Punkt für die getroffene Tonne, zwei Punkte für den Wurf in die Tonne, drei Punkte für das Treffen des Hahnes, das sind die Regeln nach denen auf dem Hofplatz vom Stadttheater geboßelt wird – nach sieben Stunden marschieren und feiern ist hier ein gutes Abschneiden nicht immer selbstverständlich.
Nach dem Boßeln bereiten sich alle Aktiven und Gäste auf dem großen Festumzug vor. Dann wird ab 15:00 Uhr mit den Teilnehmern, Musikkapellen, Fahnenabordnungen, Pferden und Ehrenkutschen durch einen Teil der Norderegge, einmal um den Marktplatz und dann zum Stadttheater Heide marschiert.
Im großen Saal des Stadttheaters findet die Kaffeetafel (Festkommers) statt. Es werden Festreden gehalten, die Jubilare und Boßelsieger werden geehrt und es wird kräftig gekretelt.
Danach bekommt das Stadttheater einen ganz neuen, charmanten Glanz; denn es treffen die Eggenschwestern und Frauen der Männer ein, die an der Kaffeetafel teilgenommen haben. Somit ist auch die richtige Atmosphäre im Saal, damit der große Festball um 20:15 Uhr beginnen kann. Der Festball währt solange, bis der Hahn am nächsten Morgen wieder kräht.
Jens Lätare
1. Föhrer vun de Norderegg
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